23. November 2014
An diesem letzten Sonntag im Kirchenjahr werden wir von Jesus eingeladen, Bilanz zu ziehen: Wo stehe ich jetzt auf meinem Weg zu Gott? Was habe ich im vergangenem Jahr für meinen Glauben getan? Was erwarte ich mir von meiner Zukunft? Ich bin für mein Leben und für meine Zukunft verantwortlich, auch Gott gegenüber. Ich werde mich vor ihm einmal verantworten müssen. Es ist nicht gleichgültig, was ich in meinem Leben tue oder lasse, wie ich mich den anderen gegenüber verhalte. Denn wir müssen vor Gott einmal über unser Reden, Denken und Handeln Rechenschaft ablegen. Mit seinem Bild des „Letzten Gerichts“ will Jesus uns wachrütteln.
Dieses Bild des Gerichtes hat in der Geschichte des Christentums eine große Rolle gespielt. Wie viele Malereien gibt es nicht, die es bis ins Detail darstellen: Berühmte wie das „Letzte Gericht“ von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle in Rom, aber auch weniger berühmte, die besonders mit der Angst vor diesem Gericht spielen. Gott als gnadenloser Richter, der die Sünder in die Hölle schickt! Dem widerspricht doch alles, was Jesus über Gott gesagt hat: Gott, der gütige, liebende, barmherzige Vater. Wird er Menschen auf ewig verdammen?
Unser natürliches Gerechtigkeitsempfinden sagt, dass eine letzte Instanz notwendig ist. Sonst kann jeder machen, was er will. Sonst kämen alle, die verbrecherisch gelebt haben, für immer unbeschadet davon. Das wäre doch ungerecht den unschuldigen Opfern gegenüber. Gericht ist also - im Namen der Gerechtigkeit - notwendig. Aber, ist es Jesus darum gegangen?
Wollte er nicht eher unser Bewusstsein dafür schärfen,wie wichtig es ist, jetzt richtig zu Leben? Was mache ich aus meinem Leben? Lebe ich wirklich im Sinne Gottes? Was ist dabei entscheidend? Was zählt am Ende? In einer bildreichen Sprache fasst Jesus es zusammen: Entscheidend ist, was du für andere getan hast! Ob du deinem Mitmenschen, egal in welcher Not er ist, hilfst. Die konkrete Tat der Liebe ist alles entscheidend. Ohne diese „Liebe“ ist alles andere, auch dein Glaube, „nichts wert“. „Wer war glücklich, dass du gelebt hast?“
Zu allen, die das Liebesgebot ernst nehmen, sagt Jesus: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Empfang, das seit der Erschaffung der Welt für euch bereit steht!“
Allerdings können wir uns diesem Angebot verschließen, es nicht ernst nehmen. Wir kümmern uns nur um das eigene Wohl, um unseren eigenen Wohlstand. Aber was ist schon „Wohlstand“? Ist es nicht auffallend, dass ausgerechnet in den Ländern, wo es den Menschen wirtschaftlich am besten geht, die psychischen Krankheiten und die Selbstmorde in er-schreckendem Maß zunehmen? Verpassen wir nicht unser Ziel, verurteilen wir nicht uns selbst zu einem misslungenen Leben, wenn wir die Liebe zueinander, das „Füreinander-da-sein“ nicht zu unserer Lebenspraxis machen - oder es wenigstens immer wieder versuchen? Darauf kommt es letztlich an, sagt Jesus. Das ist das alles Entscheidende.
Und er fügt noch einen Satz hinzu, der ganz wichtig ist: „Was ihr selbst dem Geringsten meiner Brüder oder Schwestern Gutes getan habt, das habt ihr mir getan.“ Das können besonders Eltern gut nachempfinden: Was andere ihren Kindern Gutes (und natürlich auch Böses) tun, das trifft sie selbst ganz persönlich und zutiefst. Was wir unseren Mitmenschen - die alle Kinder Gottes sind - Gutes oder Böses tun, das trifft auch Gott ganz persönlich. Gottes- und Nächstenliebe sind untrennbar verbunden. Auf diese Lebenspraxis kommt es an, sagt Jesus.